19 Februar 2009

Sanlitun Yashow Clothing Market

In meiner unendlichen Weisheit beschloss ich mir nur ein Paar Schuhe fuer die Arbeit, ein Paar Schuhe fuer den Sport und ein Paar Schuhe fuer die Freizeit mitzunehmen. Da ja eh alle Kleidungsstuecke aus China kommen, kann ich ja eventuelle Fehlbestaende guenstig vor Ort kaufen.

Bin dann also am Dienstag Abend nach der Arbeit mit Matthias in die Stadt gefahren, um dort ein wohlbekanntes Kaufhaus zu besuchen. Den Sanlitun Yashow Clothing Market.

Ueber fuenf Etagen gibt es da alles, was das Herz begehrt. T-Shirt, Hosen, Guertel, Taschen, Souveniers, DVDs, Videogames, Konsolen, Kameras, Anzuege, Socken, Schmuck, Uhren, Essen und Schuhe... Ein Kaufhaus eben.
Der einzige Unterschied hierbei ist jedoch, dass keine Ware ausgepreist ist, sondern man knallhart mit den Verkaeufern verhandeln muss. Als Deutscher Staatsbuerger ist man das ja nicht unbedingt gewoehnt, aber "When in Rome..."...

Aber der Abend fing ja erstmal ruhig an, schliesslich war Matthias hier, um sich seinen massgeschneiderten Anzug abzuholen. Mal gucken, ob ich das auch noch mache. Momentan bin ich noch unschluessig. Die haben zwar jede Menge Stoffe da, aber kein Perlweiss... Und dabei brauche ich doch dringend einen neuen weissen Anzug, nachdem ich in meinen alten nicht mehr so recht reinpasse, weil ich... sagen wir mal zu muskuloes geworden bin.

Als der Anzug eingetuetet war, machte ich mich auf die Suche nach Schuhen. Eigentlich hatte ich ja ein paar elegante Vans im Sinn, aber die Auswahl war mehr als duerftig. Schliesslich nahm ich doch noch an einem der Staende Platz, da mir ein Modell zusagte. Und eh man es sich versah nahmen 3 Verkaeuferinnen ihre Positionen ein, die sie vorher einstudiert hatte. Ballettaehnlich erinnerte mich das ganze an einen Tanz... Eine Ode an den Kapitalismus und die Geldgier.

Im nullkommanichts hatte ich das erste Paar in den Haende und befuehlte erstmal grob die Qualitaet der Ware. "Good Quality, good quality!!!" wetterte die jungste und wie sich spaeter rausstellte auch aggressivste der Drei. Nun gut, das ganze erinnerte mich eher an die wohlbekannte Deichmann-Qualitaet. Markenlogo ist zwar drauf, der Schuh an sich hatte jedoch nicht viel Substanz.

Die Einlegesohle war quasi nur ein zurechtgeschnitzter Haushaltslappen und die Sohle ein Stueck Hartgummi. Die ersten Paar Schritte bestaetigten meinen Verdacht, denn ich hatte schon jetzt Schmerzen darin. Wie sich das wohl nach einigen Kilometern Chinesische Mauer anfuehlt, wenn sich die Schuhe dann randvoll mit Blut und Hautfetzen fuellen, kann ich mir gut vorstellen.

Also das naechste Paar. Komischerweise war es auch so, dass man nicht mal in Ruhe gucken kann (was ich ja liebsten tue), nein, egal wohin ich meine Augen auch nur wendete, sofort hatten die Damen gleich den Schuh in der Hand und rieben ihn mir unter die Nase. Und das kann ich ja leiden!!!

Aber ueberspringen wir den Entscheidungsprozess. In der Zwischenzeit hatte uebrigens die kleine Verkaeuferin Matthias so vollgelabert mit allem moeglichen Stuss, dass dieser schon fast im Reich der Traeume versunken war. Alles Taktik - leicht zu durchschauen, schwer sich zu widersetzen.

Ich hatte denn nun endlich ein Paar in die engere Wahl genommen. Converse (so steht es zumindest drauf), braun, Schnuersenkel, Sohle... Schuhe halt. Nachdem wir nun endlich auch meine Groesse ermitteln konnten, wandelte sich die ganze Szenerie nun langsam von Beratung zu Verkauf.

Die Mutti, die mir die ganze Zeit die Schlappen gereicht hat, machte Platz und die kleine, wilde uebernahm. Erstmal schnappte sie sich einen Taschenrechner und ich dachte schon: Aha... Spaeter erfuhr ich, dass das ganze ein Standardprozedere ist und so schnell, wie die auf den Tasten rumwirbelte, merkte auch ich, dass sie schon einige Erfahrung hatte. Da das ganze ein Verhandlungsgeschaeft ist, war mir auch klar, dass ihr erster Preis nicht ernst gemeint war. Als sie jedoch 850 Yuan eintippte (ca. 95 EUR), da staunte ich nicht schlecht und musste auch ein bisschen lachen. Der Schuh war eindeutig von genannter Deichmann-Qualitaet und selbst 20 EUR waeren viel zu viel gewesen. Aber nun gut.

Sofort intervenierte ich mit dem Wort "NO!"... Anschliessend holte sie ein Feuerzeug raus... "Good quality, good quality. Real leather. See!" Und sie ging einmal kurz mit dem Feuerzeug ueber den Schuh. Was das jetzt beweisen sollte, weiss ich auch nicht, aber gut zu wissen, dass die Schuhe nicht gleich wie ein Lampignon verpuffen, wenn sie mit Feuer in Beruehrung kommen.

Die Haerte des Schuhs offenbahrte jedoch eindeutig, dass dies kein Leder war oder wenn doch, dann von einem steinalten Panzernashorn. Auf jeden Fall ging sie sofort mit dem Preis runter. 760 Yuan! Na klasse... 710 Yuan! "No!" 690 Yuan!
Also jetzt schon in zwanziger Schritten. Sie reichte mir den Taschenrechner und ich sollte mein Angebot abgeben. Man muss dazu erwaehnen, dass sie einen so belaberte, dass man nicht mal eine Sekunde zum nachdenken hatte.

Ich vermittelte ihr, dass ich eher erwartete, dass sie im Bereich von 400 Yuan haette anfangen sollen, sonst sitzen wir ja hier noch die ganze Nacht. Bei den 400 pochte sie wieder auf die unschlagbare Qualitaet, die mir bis jetzt immer noch komplett verborgen blieb. "I don't wanna touch you. You don't have much money, but quality is good. Can't sell for 400"

Allein die 400 Yuan Geschichte, die allerdings immernoch kein Preis gewesen war, den ich auch nur im Ansatz bereit war zu zahlen, zog sich gefuehlte 10 Minuten hin. Fuer jemanden, der Verkaeufer an sich eigentlich nicht mag, ebenso wie ueberfluessige Beratungsgespraeche kurz nach Betreten eines Ladens, war das einfach zu viel. Ware aussuchen, zur Kasse, bezahlen und ab nach Hause. So muss das laufen.

Hab dann also beschlossen zu gehen, da mir echt die Lust auf weitere Verhandlungsgespraeche vergangen war. Und siehe da... Jetzt packte sie mich doch am Aermel. Wie ein Pitbull, der nach dem Zubeissen auch erst loslaesst, wenn der Arm abreisst, war ich im Klammergriff gefangen. Aber wenn mich hier irgendjemand so anpackt, der auch nur halb so gross ist wie ich, hat der Spass echt ein Ende.

Mit ernster Miene riss ich ihre Hand weg und drehte mich um, worauf sie mich erneut packte und nun ploetzlich doch bereit war mir den Schuh fuer 400 zu verkaufen. Aber denkste. Mein Preis hatte sich nach der Story auch dramatisch geaendert. Sie bat mich meinen endgueltigen Preis einzugeben.

Da nahm ich mir den Taschenrechner und tippte 100 ein. Schade, dass ich kein Foto von ihrem Gesicht gemacht habe. Die Mimik ruschte ihr bis zu den Fuessen. "You either give me the shoes for 100 Yuan or you don't get any money at all!" Boom, Alter! Der sass!

"I give you for 250 Yuan"

Das war mir dann zu bunt und wir beschlossen zu gehen. Da kam sie mir doch tatsaechlich hinterher gerannt. So krass. "I don't wanna touch you! I don't wanna touch you!" und schon wieder hatte ich sie am Aermel.

Mit unendlich boesem Blick und leicht erhobener Stimme loeste ich mich erneut und wir machten uns Richtung Rolltreppe. Zu dem Zeitpunkt war ich richtig sauer und voll schlechter Laune.

Wir standen schon fast auf der Rolltreppe, da kam die Mutti mit den Schuhen in nem Beutel hinterher und rief "110!"

Nun war ich aber schon zu stur (denn das kann ich eigentlich gut) und pochte weiter auf meine 100. Aber Matthias meinte schon "Ach, nimm die jetzt!"
Eigentlich hatte er ja auch recht und es ist ja nur ein Euro, aber es ging mir doch ums Prinzip. Andererseits wollte ich aber auch raus und das ganze Theater nicht nochmal erleben muessen. Also hab ich der Dame 110 Yuan (ca. 12 Euro) gegeben. Das mit den 10 Yuan extra war wahrscheinlich auch nur so ne Prinzipssache. Sie brauchen glaub ich das Gefuehl, mir noch was extra aus den Rippen geleiert zu haben. Nun gut.

Jedenfalls habe ich jetzt ein Paar Schuhe, die wahrscheinlich auch meine Zeit hier nicht ueberleben werden. Ich bin mir nur bei einer Sache sicher. So nen Quark mache ich erstmal nicht mehr mit. Obwohl die Erfahrung durchaus interessant war, so im Nachhinein. Meine Socken und Handtuecher hab ich dann uebrigens gestern im Supermarkt gekauft!!!

Zum Abschluss meinte Matthias noch "Ich hab letztens dort Schuhe fuer 35 Yuan gekauft!" und als Xiaoyu gestern meinte "I never paid more than 50 Yuan in this place!" komm ich mir nun doch ganz schoen doof vor...

Aber es war ja das erste Mal und aus Deutschland ist man es nur gewoehnt maximal 10 Prozent rauszuschlagen, aber auch nur dann, wenn die Ware wirklich defekt ist.

Nun gut. Mit Freude blicke ich auf meinen naechsten Deichmann Besuch...

Keine Kommentare: