07 April 2009

Wutaishan III - Der erste Tempel

Wer mitgerechnet hat, wird gemerkt haben, dass 20:30 Uhr Abfahrt plus 7 Stunden Fahrzeit eine Ankunftszeit von 3:30 Uhr ergeben. Und ja, so war es dann auch.

Irgendwo im Nirgendwo sind wir am stockfinsteren Bahnhof "Wutaishan" angekommen.

Im Internet ließ sich auch leider nicht recherchieren, wie man denn nun vom Bahnhof zum eigentlichen Wutaishan Gebiet kommt. Doch ich merkte relativ schnell, dass dies in China in keinster Weise erforderlich ist.

Denn kaum hatte man den geisterhaften Bahnhof verlassen, begrüßten einen auch schon die ersten Kleinbusse. Für schlappe 20 RMB boten diese die Fahrt zum Wutaishan (immerhin eine Stunde) sowie die Besichtigung eines Tempels auf dem Weg an.

Also eingestiegen, Platz genommen, Goldfrapp angeworfen und los gings. Nach ca. 50 Minuten erreichten wir dann den Eingang zum Wutaishan. Und sogleich wurden noch einmal 134 RMB Eintritt fällig... Nun...

Aber vielleicht mal zum Wutaishan (五台山) selber. Wie der Name schon impliziert handelt es sich hierbei um ein fünfgipfliges (?!?) Gebirge. Der Wutaishan ist einer der vier heiligen Berge des Buddhismus und ist somit quasi übersät mit Tempelanlagen aller Formen und Größen. Ein echtes Sammelsurium und wahrer Pilgerort für alle Buddhaboys und -girls. Die Höhe dieses Gebirges macht es zudem zu einem sehr kalten, insbesondere gegen vier Uhr morgens, das kann ich euch sagen!

Kaum hatten wir die "Kurtaxe" gezahlt, ging es auch schon ab zum ersten Tempel/Kloster. Wir wurden sogleich vom Guide-Mönch empfangen, der sich mit einer kurzen Rede vorstellte. Mit einem buddhistischen Gebet wurde die Führung begonnen und... ach ja, hab ich eigentlich erwähnt, dass ich der einzige nicht-Chinese in der gesamten Gruppe war und wahrscheinlich auch der einzige, der Buddhismus nur aus dem "Ike & Tina Turner Film" näher kennt. Hab mich also wie ein echter Anfänger angestellt und natürlich auch erstmal prompt die Hände falsch gefaltet... Das hätte nicht mal für ne christliche Messe getaugt... Ich erhielt also erstmal einen zehnsekündigen Crashkurs im korrekten Händefalten.

Anschließend ging es die Stufen hoch und wir erreichten einen Hof - stimmungsvoll und atmosphärisch. Leider konnte ich keine Fotos schießen, da es ja noch stockfinster war, aber mein lieber Scholli... der Ort hat was hergemacht. So weit von der nächsten Stadt entfernt, konnte man Zillionen Sterne sehen und da das ganze Kloster noch komplett von riesigen Bergen umgeben war, wirkte der ganze Besuch nochmal umso interessanter.

Wir wurden dann vom Obermönch empfangen, der wiederrum seine Weisheit mit allen teilte, die seiner Sprache mächtig waren. Wieder kurze Bet-Action und dann kam ein kleines Highlight. Der Mönch sprach noch einmal zu jedem einzeln und gab ein paar Tipps mit auf den Weg. Ich schätze mal sowas wie: "Vor dem Waschen die Wäsche nach Farben sortieren." oder "Wenn du ne Badewanne mit Duschvorhang hast, dann musst du den Vorhang in die Wanne hängen. Wenn der draußen hängt, läufst du Gefahr den Fußboden nass zu machen."... Kann aber auch was anderes gewesen sein... wer weiß...

Wir haben uns das mal geklemmt, erstens, weil ich weiß, wie man einen Haushalt schmeißt/schmeißen lässt und zweitens weil dieser Service kostenpflichtig war. Wieviel genau weiß ich auch nicht, aber ich schätze mal so um die 1,86 EUR/Min.

Das schärfste war aber, dass man diese Mönchsnutzungsgebühr auch mit Kreditkarte bezahlen konnte... Hierzu mal kein Kommentar.

Tja und dann gings ab in die Haupthalle, wo ein riesiger goldener Buddha thronte. Links und rechts stand jeweils ein Mönch mit Glocke und Knüppel in der Hand. Das machte schon Eindruck und Xiao Yu vermittelte mir sogleich, dass wenn man sich hier etwas wünsche, es tatsächlich in Erfüllung gehe. Also ich wollte ja aus tiefstem Herzen nicht, denn als gebürtiger Bürger einer (fast) entreligösierten Stadt komm ich mir dabei albern und wie ein Hochstapler zugleich vor. Aber man ist ja auch kein Frosch und nach nur 3 Minuten Dauerbetteln gab ich nach. Ich hatte ja aber auch Eintritt gezahlt und da muss man nun mal jeden Spaß mitmachen.

Bei dem ganzen Prozedere muss man ja eigentlich die Augen geschlossen halten. Allerdings hatte ich sie die ganze Zeit halb auf und habe damit versucht Xiao Yu's Choreographie zu kopieren. Also Hände falten, dann diese zur Nase, Mund und Herz führen und dann heißt es auf die Knie. Dreimal nach vorn beugen und dabei dem Buddha sowie den Glockenmönchen, die übrigens perfekt im Rhythmus der Verbeugungen die Glocken ertönen ließen, das Bauarbeiterdekolté präsentieren. Ich denke man hat mir schon eindeutig angesehen, dass dies mein erstes Mal war und ich möchte auch gar nicht wissen, was die Mönche zu meinen stümperhaften Versuchen später im intimen Kreise gesagt haben. Nur mal soviel... ins Recall wär ich mit der Performance ganz sicher nicht gekommen...

Aber mal Spaß beiseite... Das hat mich trotz meiner Unwissenheit doch sehr bewegt und die Ruhe und Kraft, die von diesem Ort und den buddhistischen "Ritualen" ausgingen waren wahrlich beeindruckend und durchaus so, wie ich mir wahre Religion vorstelle... Ich war auch so aufgeregt während des "Betprozesses"... Krasseres Lampenfieber hatte ich aber auch noch nicht. Wenn man sich vorstellt, dass ich da nun tausende Kilometer von zuhause entfernt, hoch oben in einem entlegenen chinesischen Gebirge zu einer mehreren hundert Jahre alten Buddhastatue bete... das ist schon mehr als außergewöhnlich und fast schon surreal. Hätte ich mir auch nicht träumen lassen.

Ach so und zum Wunsch selbst mal... Der wird wohl nicht in Erfüllung gehen, da ich leider vor lauter Aufregung und Abgucken ganz vergessen habe mir etwas zu wünschen... Naja... nächstes Mal dann...

Keine Kommentare: