11 März 2009

Der "deutsche" Abend

Folgende Information erregte meine Aufmerksamkeit und versetzte mich in helle Freude.

Obacht: Original-Text, unveraendert...

Christian Y. Schmidt war Redakteur der Satirezeitschrift Titanic, bis er Anfang 2003 nach Singapur ging. Zwei Jahre später findet er sich in Peking wieder: Verheiratet und ohne ein Wort Chinesisch zu sprechen. Nach einiger Zeit hat er genug. Er beschließt, auf der chinesischen Nationalstraße 318 genau 5.386 Kilometer einmal quer durchs ganze Land zu reisen. Sein Ziel: Endlich “beim momentan glücklichsten Volk der Erde mitmachen“ (Schmidt) zu können und „ein richtiger Chinese zu werden“. Schmidt startet in Shanghai, passiert buddhistische und daoistische heilige Berge, trifft chinesische Bosse, nepalesische Punks, einen weiblichen Colonel Kurtz am Jangtse. Schließlich erreicht er Tibet und erklimmt nach weiteren 2.000 Kilometern den (halben) Mount Everest....

Die Erlebnisse seiner dreimonatigen Reise hat Schmidt in dem Buch „Allein unter 1,3 Milliarden. Eine chinesische Reise von Shanghai nach Kathmandu“ (Rowohlt Berlin) aufgeschrieben. "Ohne Zweifel ist sein Buch eines der besten Reisebücher, das je geschrieben wurde...", meinte die taz. Franziska Augstein schrieb in der Süddeutschen Zeitung: „Wer von dem Land wenig weiß oder sich eigentlich gar nicht dafür interessiert, kann an diesem menschennahen, amüsanten Reisebericht große Freude haben.“ Die FAZ konstatierte: „'Allein unter 1,3 Milliarden' ist eine komische, mitunter melancholische Reiseerzählung in angelsächsischer Tradition.“ Und der Rezensent des Deutschandfunks nannte das Buch „ein großes Stück Reiseliteratur“.

Nach dem Erfolg seiner Lesung in der Deutschen Botschaftsschule im November präsentiert Schmidt sein Buch jetzt noch einmal im Rahmen des „Berliner Salons“, der zum letzten Mal am gewohnten Ort im Obergeschoß des „Wirtshaus am See“ stattfinden wird. Ab 19 Uhr kann deutsche Küche bestellt werden, gegen 20 Uhr beginnt die Lesung. Der Eintritt ist frei.
„ Wirtshaus am See“, 8 Xinba Lu (Super Bar Street / Nuren Jie), Tianze Lu, Chaoyang district


BERLINER SALON?!? Da musste ich hin, ganz klar!!!

Doener, Bier, Poebeln oder einfach "Krawall", um das mal in einem oft verwendeten Wort zusammen zu fassen.

Super Bar Street muss man sich mal wieder als typisch asiatischen Strassenzug vorstellen - eng, viele Leute, noch mehr Neonlicht...
Das "Wirtshaus am See" faellt da als Betonquader schon sehr aus dem Rahmen. Aber man soll ja nicht immer nur nach Aeusserlichkeiten urteilen. Ich gab dem Laden eine Chance...

War ja schon mal recht ungemuetlich eingerichtet, wenn man nun den Beijinger Standard gewoehnt ist. Die Vielzahl an Deutschlandfahnen, bewirkten zusaetzlich bei mir ein echtes Unbehagen. Als Post-NS-DDR-Kind ist es ja aber auch nur verstaendlich, dass man keine rechte Beziehung zur sogenannten deutschen Fahne hat, auch wenn ich bereits unter Eid geschworen habe, sie mit meinem Leben zu verteidigen, aber das ist ja nun auch schon ein Weilchen her und sicherlich auch nicht mehr verbindlich. =D

Essen wurde in Buffet-Form gereicht. Da ich aber nicht sonderlich hungrig war und noch auf Matthias wartete, verschwendete ich erstmal keine Energie auf den Gang zur besagten Essensreiche. Ich nahm relativ weit hinten Platz und musterte erstmal das Publikum, welches das Etablishment betrat. Frueh da zu sein verschaffte mir diese Ehre.

Wieder und wieder wurde ich enttaeuscht. Der Alterdurchschnitt hob sich von Besucher zu Besucher und erreichte wenig spaeter die 50er Grenze. Ich fuehlte mich deplatziert, soviel stand schon mal fest.

Ein aelteres (was auch sonst) weibliches Paar konversierte schliesslich (und das natuerlich im Sueddeutschen Dialekt, den ich jetzt hier nicht imitieren werde, ist er mir doch fremder als Chinesisch):
"Hmmm... das Essen riecht aber gut! Was gibt es denn?"
"Schweinshaxe mit Sauerkraut!"

DAS war der Tropfen der das Fass zum Ueberlaufen brachte. Ich musste raus. Wie von der Tarantel gestochen, verliess ich das Wirtshaus, natuerlich nicht ohne Matthias vorher zu warnen
"Bleib wo du bist, wenn dir dein Leben lieb ist, dann bleib wo du bist... Um Himmels Willen... Ich ... NEEEEIIIIINN.... AAAARRRRGGGGHHHHH!!!!"

Es macht natuerlich auch immer einen guten Eindruck, wenn man energisch mit Mobiltelefon an einer Gesichtshaelfte einen Laden verlaesst. Da wirkt man so ungeheuer wichtig... oder verplant.

Um den Rest des Abends schnell zusammen zu fassen: Ich tronk dann noch einen Gerstensaft in einer eindeutig nicht "deutschen" Bar und machte mich deprimiert auf den Nach-Hause-Weg. Wenn ich etwas aus diesem Abend gelernt habe, dann erstens, dass sich meine Vorstellung ueber einen Berliner Salon doch sehr von dem hier vor Ort gebotenem unterscheidet und dass ich nun versuche keine Kulturflucht mehr zu begehen.

Andererseits wirft das allerdings auch die Frage auf, ob ich denn wirklich kein Verstaendnis meiner eigenen Kultur habe... Aber nee, so falsch kann ich da gar nicht liegen. Hab uebrigens heute den ganzen Tag Beethoven und Bach auf dem MP3-Aparatus gehoert. Hat mir sehr geholfen meine eigenen Herkunft wieder zu schaetzen. Bach war ja jahrelang Kapellmeister am Hof des jungen Fuersten Leopold in meinem Geburtsort. Und dass Beethoven sowieso der Meister ist, da brauchen wir wohl nicht zu streiten.

Jedenfalls ist das mehr Ausdruck oder Definition meiner Kultur als das, was ich bisher hier davon erlebe. Da ich ja aber das Glueck habe Daimler auf den Deutschlandwochen hier in China zu vertreten, laesst sich vielleicht was machen. Selbst wenn ich nur ein paar Chinesen in ihrer Meinung ueber Deutschland beeinflussen kann, habe ich das Gefuehl wirklich Grosses geleistet zu haben.

Mein Aufenthalt gestaltet sich zusehens zur Identitaetsfindung. Was bin ich - wo komme ich her - was definiert mich als deutschen Staatsbuerger - wo sehe ich mich im Vergleich zu anderen Kulturen - was kann ich anderen ueber meine eigene Kultur beibringen - was moechte ich anderen ueber meine eigene Kultur beibringen - gibt es eigentlich irgendetwas, was ganz Deutschland verbindet?

Wenn es eines nicht ist und das passt eigentlich als Antwort auf alle eben gestellten Fragen, dann ist es die Weisswurst, die Schweinshaxe und das Sauerkraut!

Also tut mir alle einen Gefallen und zelebriert mal wieder die Hauptstadtkultur mit dem Verzehr eines typischen Berliner Gerichts:

DEM DÖNER!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich wär eher für ne Currywurst von Konopke ;-))
Liebe Grüße aus der Heimat von Conny